Demosthenes Agrafiotis schrieb die Zeilen Fear blows me up like a bagpipe / And if I begin the song / I can never bring it to an end und ALÍPIO C NETO (Saxophone), DENNIS GONZÁLEZ (Trompete), ERNESTO & GUILHERME RODRIGUES (Viola bzw. Cello & Radio) sowie MARK SANDERS (Schlagzeug) ließen sich dadurch anregen zu PAURA The Construction of Fear (cs 139). Der brasilianische Saxophonist ist durch einige Releases auf Clean Feed, dem anderen Lissaboner Label, bekannt geworden, und, wie auch der texanische Trompeter, mit Jazz, der nichts Erschreckendes hat, höchstens etwas Unerwartetes und allenfalls Alarmierendes. Hier verweist Neto auf Freud und den Fall des kleinen Hans und seiner Pferdephobie. Meine Symptome deuten eher auf eine Plinkplonkphobie. Damit die akut wird, braucht es freilich ‚fürchterlichere‘ Auslöser als die ‚unheimlichen‘ Geräusche von ‚Void and Voices‘, dem breiten Mittelteil von PAURA, das damit nach dem jazzigen Auftakt ‚Pulsation‘ die programmatische Wendung nimmt ins Schaurige. Lange Haltetöne bilden nach einer gespenstischen halben Stunde im Märchenwald eine scheinbare Brücke aus dieser ‚Kinderschreck‘-Zone, in der man aber doch haften bleibt, bis stakkatohaftes Gegeige den Bann löst. Nur um einen erst recht einer schnaubenden, stöhnenden und gespenstisch gegeigten Kakophonie auszuliefern. Nun, John Cale hat uns eingeschärft, dass Furcht unser bester Freund ist, Langeweile aber von Übel. Diese Gefahr besteht hier absolut nicht. Die Spannung bleibt sogar über den abrupten Schluss hinaus bestehen und macht PAURA zu etwas Speziellem im Repertoire von Gonzales, der hier furchtlos abseits seiner Inspiration Band, seines NY Quartets und seines familiären Yells At Eels-Projekts faucht und spotzt, und zu einer der wenigen CS-Musiken, die bei mir einen Wiederholungszwang auslösen. [BA 62 rbd]
Rigobert Dittmann (Bad Alchemy)